Sonntag, 8. März 2015

Liebe Frau Künast, wir müssen reden.

Als ich Freitag früh nichtsahnend und verschlafen den Fernseher anschaltete und auf das Morgenmagazin des ZDF tappte, ging es um die Frauenquote. Wie sollte es auch anders sein.
Schließlich muss die aktuelle Regierung ihre "Aktionismuspolitik" breittreten.

Aktionismuspolitik nenne ich die Frauenquote nicht, weil ich sie pauschal ablehne, sondern weil sie von Ihren Schöpfern gefeiert wird, wie die Erfindung des Rades. Dabei geht es um eine Quote die nur ca. 100 Unternehmen betrifft und auch nur deren Aufsichtsräte. Nicht das obere Management, nicht den Vorstand. Aber wenn man es dem Bürger gut verkauft, lässt es ihn Dinge wie NSU-Skandale oder Ukraine-Krise ganz toll vergessen.

Aber sei es drum, darum soll es hier nicht gehen. Nein, denn dieser Post ist unserer Grünen-Politikerin Renate Künast gewidmet.

Denn sie äußerte sich zum Thema Gleichberechtigung und Frauenquote gegenüber dem ZDF. Und das musste ich vor meinem ersten Kaffee verkraften.

Sinngemäß war die Aussage:
Die Frauenquote war notwenig, aber wir bräuchten keine Männerquote z.B. in den sozialen Berufen, denn Männer würden diese Jobs ja gar nicht haben wollen, denn diese seien ja schlecht bezahlt.

Ende der Ansage. Kein aber. Kein obwohl. Kein sarkastisches Zwinkern.
Zumindest im Zusammenschnitt des ZDF.

Wir halten also kurz fest: Wenn Frau Künast über Gleichberechtigung spricht, meint sie scheinbar nur "mehr Rechte für Frauen"? Wenn sie Sexismus verurteilt, dann meint sie Sexismus gegenüber Frauen?
Denn genau das war leider die Aussage: sexistisch und diskriminierend. Zusätzlich auch verallgemeinernd und oben drein schlicht weg falsch.

Denn es gibt Männer in sozialen Berufen.
Und sie haben es vielerorts nicht einfach, denn sie werden diskriminiert wegen ihres Geschlechts! Ja, auch Männer werden aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert.

Meine Meinung zu ihrer Aussage teilte ich ihr auch auf Twitter mit. Leider bis heute ohne Antwort.

Mir lag dieses Thema schon vorher am Herzen, aber ganz nach dem Motto "Jetzt erst recht!" werde ich hier noch einmal auf das Problem hinweisen, dass Männer in diesen Berufen pauschal diskriminiert und kriminalisiert werden.
Am Freitag teilte ich hierzu bereits einen Artikel der SZ: Nicht auf den Schoß nehmen!
Hier geht es um das Paradebeispiel des Kindergärtners, welcher ganz besonders von diesem Problem betroffen ist und unter dem Generalverdacht des Sexualstraftäters leidet.

Nachdem ich den Tweet auf seine Reise durch meine Filterqubble schickte, erhielt ich unglaublich viel Feedback - leider nur von Männern.
Es waren zum einen Männer, die selber in sozialen Berufen arbeiten und schon Opfer von sexistisch begründeter Diskriminierung wurden oder Männer, die von sowas schon "über drei Ecken" gehört hatten. Ihre Geschichten sind der eigentliche Grund für diesen Post.



Liebe Frau Künast, ich hörte von Männern, die nach ihrer Ausbildung zum Erzieher so sehr von den Eltern gemobbt wurden, dass sie nach kurzer Zeit ihren Beruf aufgaben. Der Vorwurf des Missbrauchs hatte sie gebrochen. Der Arbeitgeber sah sich nicht in der Pflicht zu vermitteln und aufzuklären. Warum auch, er konnte ja den Mann ganz einfach durch eine Frau ersetzen und das Problem war gelöst.

Liebe Frau Künast, ich hörte von Männern, die, obwohl sie ihre Arbeit mit Heimkindern liebten, systematisch in die Verwaltung eben dieses Heimes gedrängt wurden. Denn Männer können ja viel besser verwalten und führen. Mit dem Kontakt zu den Kindern wolle man sie nicht belasten.

Liebe Frau Künast, ich hörte von Männern, die in ihrer Arbeit als Erzieher ausschließlich mit Jugendlichen arbeiten wollen. Nicht weil sie die Kleinen nicht mögen, sondern weil die Angst zu groß ist, sich dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs ausgesetzt zu sehen. Deshalb machen sie einen Bogen um Kinder.

Liebe Frau Künast, ich hörte von Männern, die in ihrem Kindergarten dermaßen von ihren weiblichen Kollegen gemobbt werden, dass sie einen Männerbeauftragten fordern. Es gibt hier zwar eine Gleichstellungsbeauftragte, aber diese muss ja immer eine Frau sein und diese ist, wie es der Zufall so will, eine der Mobber. Den Männerbeauftragten gibt es jedoch bis heute nicht.

Liebe Frau Künast, ich hörte von Vätern, die berichteten, dass einige Freunde des Sohnes nur dann zum Spielen nach Hause kommen dürfen, wenn auch die Mutter zu Hause ist. Ohne stichhaltige Gründe für einen Verdacht.

Liebe Frau Künast, dies sind leider keine Ausnahmen. Das ist leider die Regel. Dies wurde mir auch von gemeinnützigen Organisationen bestätigt. Diese Menschen brauchen jemanden, der ihnen hilft zu vermitteln und aufzuklären, der ihnen hilft, etwas gegen diese Diskriminierung zu unternehmen.

Liebe Frau Künast, auch Sie als Gegnerin des Sexismus müssen erkennen, dass Sie diese Männer in Ihrem Kampf brauchen.
Wer wäre besser dazu geeignet einem drei Jahre alten Jungen zu zeigen, was es bedeutet ein moderner Mann in Ihrem Sinne zu sein:
Sich nicht den Stereotypen einer veralteten Weltordnung zu unterwerfen.
Jedem Menschen mit dem gleichen Respekt zu begegnen, ungeachtet seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung oder seiner Herkunft.
Jedem Menschen die gleichen Chancen einzuräumen.

Schenken Sie diesen Männern Ihr Ohr und ein Teil Ihrer Zeit. Zeigen Sie, dass es nur der Zusammenschnitt des ZDF war, der Ihre Aussage so unglücklich verzerrte. Geben Sie diesen Männern eine Stimme im Kampf gegen Diskriminierung und für wirkliche Gleichberechtigung.

Ich würde mich wirklich sehr über eine Antwort von Ihnen zu diesem Thema freuen.

Mit freundlichen und ernst gemeinten Grüßen,
Das Chamäleon


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