Mittwoch, 25. Februar 2015

Eine Frage des Respekts

Es gibt Dinge die werden für Berliner irgendwann alltäglich. Dazu gehören zum Beispiel aktuelle Katastrophenmeldungen über den neuen Flughafen, der Geruch von Urin im U-Bahnhof, die Eröffnung einer Shoppingmeile die genau so ist wie die drölfzig die wir schon haben, oder eben um Kleingeld angeschnorrt zu werden.

Irgendwann entwickelt man einen Filter dafür, eine selektive Wahrnehmung die einen auch irgendwann Fluglärm ausblenden lässt.
Völlig verständlich, eigentlich menschlich und trotzdem wissen wir insgeheim eigentlich, dass wir vor allem bei dem letzten Punkt anders handeln sollten.

Das nur ein Bruchteil von uns genug Geld hat um jeden etwas zu geben ist klar und bei vielen wäre Geld auch nicht einmal angebracht, sondern eher etwas zu Essen oder eine Sachspende. Oder eben auch einfach ein kurzen Moment unserer Zeit.
Viele dieser armen Seelen sind schon lange geistig nur noch begrenzt in unserer Welt. Warum möchte ich dahingestellt lassen und die Gründe sind sicher vielfältig. Die Straße macht die Menschen mürbe.

Ganz am Rande der Gesellschaft werden sie von vielen behandelt wie Menschen zweiter Klasse und von manchen noch schlechter. Ich würde mich in dieser Situation auch flüchten, wohin auch immer.

Warum ich mir grade jetzt Gedanken darüber mache? Weil ich heute daran erinnert wurde, wie wichtig Respekt vor allen Menschen ist.

Es war ein ganz normaler Vormittag in Berlin-Neukölln, als ich an einer Bank vorbei lief und plötzlich freundlich von der Seite angesprochen wurde: "Entschuldigen Sie, junge Frau, hätten Sie eventuell noch etwas Kleingeld für mich übrig?"
Auch wenn ich genau so resigniert bin wie jeder andere Durchschnittsberliner, ich wurde trotzdem gut erzogen. Also blickte ich auf, schaute dem Mann in die Augen, verlangsamte meinen Gang und entschuldigte mich ehrlich dafür, dass ich ihm nichts geben könne.

Und jetzt passierte erst das, was mich zum Grübeln brachte: Er bedankte sich. Er bedankte sich bei mir, weil ich Respekt gezeigt hatte, gegenüber ihm als menschliches Individuum, ungeachtet seines Äußeren und seiner gesellschaftlichen Stellung. Anschließend wünschte er mir noch einen schönen Tag und wir gingen unserer Wege.

Respekt (lateinisch respectus „Zurückschauen, Rücksicht, Berücksichtigung“, auch respecto „zurücksehen, berücksichtigen“) bezeichnet eine Form der WertschätzungAufmerksamkeit und Ehrerbietung gegenüber einem anderen Lebewesen (Respektsperson) oder einer Institution. (Wikipedia)

Und jetzt sitze ich hier, Stunden später und denke darüber nach, wie oft wir vergessen unseren Gegenüber mit nötigem Respekt zu behandeln.
Viele zeigen nur noch Respekt vor eben jenen Menschen, die ihnen einen Mehrwert für ihr eigenes Leben bringen können, also zum Beispiel Vorgesetzten, Geschäftspartnern, oder Ähnlichen.
Um so häufiger wird er jedoch vergessen wenn wir uns gesellschaftlich "über" dem Anderen befinden. (Ein Wertesystem das heute noch sehr verbreitet ist in den Köpfen der Europäer, aber dem - im westlichen Auge rückständigen - Kastensystem Indiens in Ignoranz und Altertümlichkeit kaum nachsteht.) Der Chef, der seinen Frust am Angestellten auslässt, der gute Bürger der die Nase rümpft gegenüber einem Arbeitslosen, der Passant der den Obdachlosen keines Blickes würdigt oder ein Individuum das sich in der Anonymität des Internets über ein anderes erhebt, sind hier nur einige Beispiele.

Wie viel besser wäre die Welt für jeden Einzelnen, wenn wir uns alle nur mit etwas mehr Respekt behandeln würden?
Dazu wäre gar nicht viel nötig.

Einfach mal den nächsten gehässigen Kommentar auf Twitter/Facebook/Whatever verkneifen.
Einfach mal freundlich zu dem Obdachlosen vor eurem Supermarkt sein.
Einfach mal eurem Assistenten auf Arbeit sagen, dass er eine gute Arbeit geleistet hat.
Einfach mal zu jemanden freundlich sein, auch wenn nichts für euch raus springt.
Einfach mal der Kassiererin auch einen schönen Tag wünschen.
Einfach mal für böse Worte entschuldigen, die in der Vergangenheit fielen.
Einfach mal... und so weiter und so fort.

Wisst ihr was das Beste an all dem ist? Es kostet nicht einen Cent, nur Überwindung. Ich verspreche euch, es tut auch euch gut.
Und wenn alle das nur ab und zu beherzigen, wäre unsere Welt schon ein ganz klein wenig besser.

Jetzt geht mal tief in euch hinein und fragt euch, wann ihr das letzte Mal richtig respektlos wart und nun: Entschuldigt euch dafür. Klärt die Sache. Ihr müsst keine Busenfreunde werden.

Genau das habe ich auch vor kurzem getan. Mit jenen aufgeräumt zu denen ich wirklich respektlos war. Mich entschuldigt. Mich erklärt. Frieden geschlossen mit jenen aber eben auch mit mir selber.

So viele Gedanken, die mir heute deswegen durch den Kopf gingen, die mich vielleicht wieder etwas besser gemacht haben als Menschen und mich auf meinem restlichen Lebensweg begleiten werden. Und das alles dank einem Mann, der von den meisten Menschen, denen er heute begegnet ist, keines Blickes gewürdigt wurde.
Danke.

1 Kommentar:

  1. Schöner Artikel!

    Um aufs angeschnorrt-werden zurückzukommen: Wenn man mich freundlich fragt, geb ich eigentlich immer was - manchmal sind das 1-2€, manchmal auch nur'n paar Cent. Kommt drauf an, wie viel Klimpergeld ich gerade mit mir rumschleppe.

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